Wie man (vielleicht) Musik verkauft

Donnerstag, 24. September 2015 um 21:43 Uhr; Kategorie Linking und Thinking

simon_indelicate

Musik ist wertlos – das ist die These von The-Indelicates-Sänger Simon Indelicate1 in seinem doch recht langen, aber absolut lesenswerten Text „Why Your Music Is Worthless (And How To Sell It Anyway))„. Nach ein paar Beleidigungen und Beschimpfungen gegenüber dem Leser, anderen Bands und Musikjournalisten, erklärt er, was er meint. So sei Musik, die bereits existiert, wertlos, weil sie eben da sei. Das hat mit Angebot und Nachfrage, Fix- und variablen Kosten zu tun, und klingt für mich als nicht-BWLer relativ plausibel (wenn auch vermutlich nicht 100%ig wissenschaftlich korrekt). Doch einen Weg gibt es, trotzdem Musik zu verkaufen:

People value music that they are personally connected to and such music is scarce – therefore it is not worthless.

Das kann, so Simon, unter anderem durch Crowdfunding passieren.2

Wo das Plattenverkaufen aber manchmal eben auch funktioniert, dürften die Konzerte sein. Ich weiß zwar nicht, wie viel die Bands an einem Konzertabend verkaufen, den Schlangen am Merch-Stand bei so manchem Konzert (und den Aussagen diverser Bands am Ende ihrer Tour) nach zu urteilen, dürfte die Zahl zum Teil nicht unerheblich sein.

Allerdings funktioniert eine Sache nicht: Im Herbst ein Konzert spielen und dabei die Leute heißmachen auf ein Album, das erst im Frühjahr erscheint.3 Denn wenn die Leute das Album wirklich gut finden, dann wollen sie es haben. Und zwar sofort. Dirk von Gehlen hat das in einem minimal anderen Kontext vor ein paar Monaten auch schon einmal aufgeschrieben.

Denn insbesondere wenn man eine relativ unbekannte Band ist, weiß im Februar keiner. der im September auf dem Konzert war, mehr, dass das neue Album rauskommt. Ich habe von der Vorband auf dem Konzert, auf dem ich gestern war, heute schon den Namen ergooglen müssen, weil ich noch einmal reinhören wollte. Würde ich es hier jetzt nicht niederschreiben, wüsste ich vermutlich in ein paar Monaten nicht mehr, dass Folly and the Hunter in ein paar Monaten ein neues Album veröffentlichen – obwohl mir die Musik eigentlich ziemlich gut gefallen hat.4

Worauf ich hinaus will: Wieso gab es zum Beispiel nicht die Möglichkeit, das Album vorzubestellen – oder gleich Crowd-zu-funden5? Denn nicht jeder schreibt ein Blog. Die mögliche Folge beschreibt Dirk von Gehlen:

Ich bin interessiert, ich mag das Produkt, ich würde es kaufen. Was mehr kann man verlangen? Was mehr kann bis zum 22. August passieren als das: Ich werde das vermutlich tolle Album vergessen.

Noch ein Hinweis zu Simon Indelicates Text. Der liefert die vermutlich beste Beschreibung und Erklärung, warum Crowdfunding funktioniert:

 You remember that your fixed costs were what it cost you to make the first one of something and the marginal costs were what it cost to make the second? And that it was an unbreakable rule that no one cared about your fixed costs?

Crowdfunding works because it breaks that rule.

Because you are not selling a product but the opportunity to live in a world where that product exists – you have performed the impossible feat of moving all of your fixed costs into the marginal costs column.

Suddenly, the cost of the second item is the same as the first, because if you don’t sell both, then neither will be made.

Der Text ist also vermutlich nicht nur für ambitionierte Musiker, sondern auch für alle anderen Medien- und Kulturschaffenden interessant.


  1. Den ich für die Rückseite auch schon über die Monarchie ausgefragt habe 

  2. Darüber habe ich mit ihm und seiner Bandkollegin Julia schon vor Jahren mal für Indiestreber gesprochen

  3. Also es funktioniert schon. Nur die CD verkauft man so vermutlich nicht. 

  4. Ich werde mir das Album vermutlich trotzdem nicht kaufen, weil die Musik auf Platte nicht so gut funktioniert wie live. Aber das ist ein anderes Thema. 

  5. Gibt es dieses Verb? 

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